Buchrezension

 

Flammer, A. (1997). Einführung in die Gesprächspsychologie.
Bern: Huber.

 

Dorothea König

Buchrezension im Rahmen der Lehrveranstaltung "Demonstrationen zur Klinischen Psychologie"
(Univ.-Doz. Mag. Dr. B. Gasteiger-Klicpera) am Institut für Psychologie der Universität Wien, WS 2001/02

 


 

Inhalt:


Zusammenfassung

Persönliche Stellungnahme

 

Zusammenfassung


"Einführung in die Gesprächspsychologie" von August Flammer ist 1997 im Verlag Hans Huber erschienen. Grundlage des Buches ist das überarbeitete Skriptum zur Einführungsvorlesung Prof. Flammers im universitären Grundstudium in Bern.

Im ersten der drei Teile des Buches werden die Grundlagen des Gespräches dargestellt und erklärt. Im Gespräch wird Information übertragen. Dieses Instrument der Kommunikation definiert Flammer u.a. als Datenmaterial des Gedächtnisses im weitesten Sinn. Information ist immateriell, sie benötigt jedoch immer einen materiellen Informationsträger. Das sind akustische Muster (Sprache, Musik, natürliche Geräusche etc.), Gesten (Blicke, Handbewegungen, Körperhaltung etc.) oder visuell wahrnehmbare graphische Muster (Farben, Schrift, Zeichnungen etc.).
Es wird zwischen verbaler, paraverbaler und nonverbaler Kommunikation unterschieden. Durch verbale Kommunikation, also mittels Sprache, kann man etwas explizit ausdrücken. Mit ihr direkt verbunden ist die paraverbale Kommunikation, die sich z.B. auf die Stimmlage, die Lautstärke beim Sprechen und das Sprechtempo bezieht. Die nonverbale Kommunikation (z.B. Körpersprache, Mimik), die nicht an Sprache gebunden ist, hat auch einen großen Anteil am Gespräch.
Im Gespräch geht es immer darum, einander zu verstehen. So sind dem Thema "Verstehen" drei Kapitel gewidmet. Es wird zwischen zehn Verstehensbegriffen unterschieden, wobei alle eine Art Einordnung von Neuem in (bekanntes) Altes implizieren. So setzt Verstehen immer Wissen voraus.
Das zweite Kapitel zu "Verstehen" beschäftigt sich mit Schlussfolgern, Vermuten und Verstehensmanagement. Es wird aufgezeigt, dass im Gespräch immer mehr zu hören ist als explizit gesagt wird. Daher ist es notwendig, Prozess und Umstände einer gemachten Mitteilung wahrzunehmen und Zwischenglieder zu konstruieren, also Inferenzen (Schlussfolgerungen) anzustellen. Flammer gibt hier eine Einführung in die wissenschaftlichen Systeme des Schlussfolgerns.
Im dritten Kapitel zum Thema "Verstehen" wird die Komplexität des Gesprächs beleuchtet. Flammer unterscheidet drei Dimensionen der Kommunikation:

  1. Informationskanäle und die Beziehungen zwischen verschiedenen Botschaften, wie das Zusammenspiel verbaler, paraverbaler und nonverbaler Kommunikation.
  2. Referenzen (Gegenstände, auf die sich eine Aussage bezieht) oder Aspekte des Kommunizierten: die Sache selbst, die Absichten des Sprechers, die Beziehung zwischen Gesprächspartnern etc.
  3. Logische Kommunikationsebenen: Kommunikation und Metakommunikation. Unter Metakommunikation versteht man die Kommunikation über die Kommunikation, also die Aussage über die Aussage. Sie kann hilfreich sein, Kommunikationsstörungen zu beheben.

Beim zweiten Punkt "Referenzen oder Aspekte des Kommunizierten" stellt Flammer verschiedene Modelle vor, etwa das "Organon-Modell" von Karl Bühler (1934), welches drei Aspekte der Sprache unterscheidet: Darstellung, Ausdruck und Appell. Watzlawick, Beavin und Jackson (1967) erachten zwei Aspekte einer Mitteilung als wichtig, nämlich Inhalts- und Beziehungsaspekt, wobei der letztere die beiden Bühler'schen Aspekte Ausdruck und Appell zusammenfasst und darüber hinaus die soziale Komponente der Beziehung betont. Schulz von Thun (1977, 1981) entwickelte aus den beiden genannten Modellen ein Analysesystem von vier Botschaftsaspekten, die Flammer in seinem Fünf-Referenzen-Modell aufnimmt und noch durch das Element der Partnerdefinition erweitert. Diese Referenzen sind die explizite Botschaft, Selbstdarstellung, angebotene Partnerdefinition, Beziehungsdefinition und Appellfunktion.

Im zweiten Teil des Buches werden Schwierigkeiten behandelt, die sich im Gespräch ergeben können. Belastende Generalisierungen oder Tilgungen (Unterdrückung wichtiger Aussagenkomponenten) im Gespräch werden anhand von Beispielen aufgezeigt, die den Leser veranlassen sollen, die eigene Sprechgewohnheit zu prüfen. Es werden inadäquate Kausalannahmen und Attributionen analysiert.
Als bewährte Konzeptionen für spezielle Bedingungen guter Gespräche stellt Flammer die Transaktionsanalyse und die Themenzentrierte Interaktion vor. Als Transaktion bezeichnet man die Grundeinheit aller sozialen Verbindungen. Die Transaktionsanalyse nimmt drei Ich-Zustände (Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich und Kindheits-Ich) an, welche die Einstellungen, das Sprechen und allgemein das Verhalten der Person bestimmen. In verschiedenen Transaktionsmustern wird gezeigt, wie die einzelnen Personen in ihrem jeweiligen Ich-Zustand miteinander kommunizieren. Wurzelnd v.a. in der humanistischen Psychologie versuchte Ruth Cohn mit der Themenzentrierten Interaktion eine Methode für gute Gespräche in (thematischen) Arbeits- und Lerngruppen zu finden. Mit dem Prinzip der dynamischen Balance soll eine ausgewogene Verbindung zwischen subjektiver, sozialer und sachlicher Gegebenheit erreicht werden.

An den Schluss des Buches stellt der Autor spezielle Gesprächstypen, in welchen er die Anwendung der erarbeiteten Ideen vorführt. Er wählt vier schwierigere Gesprächssituationen, wie die geplante Rückmeldung für eine bestimmte Leistung oder ein bestimmtes Verhalten, das Prüfungsgespräch, das Bewerbungs- oder Vorstellungsgespräch und die Mitteilung einer schlechten Nachricht, um jeweils verschiedene Aspekte zu behandeln und hilfreiche Empfehlungen zu geben. Am Beispiel des Vorstellungsgesprächs etwa wird aufgezeigt, wie man sich mental vorbereiten kann, indem man sich die wahrscheinlichen Fragen der einladenden Person ausdenkt und die möglichen Antworten zurechtlegt bzw. Fragen notiert, die man selber stellen möchte. Weiters wird darauf hingewiesen, dass auch die richtige Kleidung den guten Eindruck unterstützen kann. Viele Faktoren tragen dazu bei, sich ein Bild über den Bewerber zu machen. So fallen Pünktlichkeit sowie freundliches, ruhiges und sicheres Auftreten positiv auf. Neben den Ratschlägen für Stellensuchende finden sich hier auch Empfehlungen für das Verhalten des Stellenanbieters.

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Persönliche Stellungnahme


Das übersichtlich aufgebaute Buch von August Flammer ist eine umfassende wissenschaftliche Analyse des Gesprächs, welches auch durch die zahlreichen Literaturhinweise einen genauen Überblick über die Forschung zu diesem Thema gibt.
Der Autor vermag es, die Grundlagen des Gesprächs klar und systematisch darzustellen und sie durch Beispiele verständlich zu machen. Er versteht es, beim Leser das Interesse für die Differenziertheit des Gesprächs und die Feinheiten der Sprache zu wecken.
Ich finde es sehr interessant, wie Flammer scheinbar "banale" Aspekte eines Gesprächs als äußerst bedeutsam für den Verlauf der Kommunikation identifiziert. So wurde ich angeregt, über verschiedene persönliche Gesprächssituationen des Alltags nachzudenken. Beim Lesen dieses Buches wurde ich auch darauf aufmerksam gemacht, wie man Missverständnisse im Gespräch reduzieren oder vermeiden kann. Für die angesprochene bzw. mitteilende Person gibt es sehr einfache Möglichkeiten, dies zu realisieren – nur muss sie sich dieser erst einmal bewusst werden: Simples Rückfragen oder Wiederholen und die gegenseitige Beobachtung des Verhaltens können dazu beitragen, dass die Kommunikation für alle beteiligten Gesprächspartner verständlicher und auch befriedigender verläuft.
Wenn man dieses Buch als Grundlage für die praktische Gesprächsführung zwischen Klient und Therapeut heranzieht, sehe ich den Nachteil der vorliegenden Arbeit in Folgendem: Da der Autor das Gespräch sehr genau analysiert, "zerlegt" er es gleichsam in verschiedenste Einzelheiten. Versucht man nun als (nicht-routinierter) Therapeut auf all die aufgezeigten Details zu achten, kann das in der Gesprächsführung evt. verunsichern und vom Wesentlichen ablenken sowie den "natürlichen" Verlauf des Gesprächs behindern. Es liegt aber v.a. im Interesse des Klienten, eine möglichst entspannte Gesprächssituation zu schaffen.
Die Vielfalt der vermittelten Ergebnisse in diesem Buch ist so groß, dass sich der Student diese nur langsam als verfügbares Wissen aneignen kann. Die vorliegende Arbeit versteht sich wohl eher als grundlegende Analyse denn als praktischer Ratgeber zur Gesprächsführung.

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Weitere Informationen zu diesem Buch sind hier erhältlich.

 

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